Interview with the Vampire: Claudia's Story

Interview with the Vampire: Claudia's Story - Anne Rice, Ashley Marie Witter Die Ausstattung ist ein Traum: das Buch liegt schwer in der Hand, der Schutzumschlag fasst sich samtig und edel an... Die Hochglanzseiten sind auf hochwertigem Papier gedruckt. Definitiv kein billiges Comic-Heftchen sondern ein Band, der zwischen Hardcover-Romanen im Regal nicht fehl am Platze wirkt!

Der Zeichenstil ist in meinen Augen wunderschön, und mir gefällt auch sehr, dass die Zeichnungen alle in Sepia gehalten sind, mit dezenten künstlichen Altersspuren - die einzige Farbe, die geradezu schockierend knallig aus den Seiten springt, ist das Rot von Blut. In einer Geschichte rund um eine kindliche Vampirin und ihre beiden Vampirväter muss es natürlich zwangsläufig blutige Szenen geben, aber die meisten davon fand ich eher wohltuend zurückhaltend; nur ein oder zwei Szenen fand ich etwas eklig.

Ich denke, die meisten Leser dieses Comics werden die Originalbücher von Anne Rice kennen oder zumindest die Filme gesehen haben. Ich selber habe die Bücher vor etwa 20 Jahren gelesen und insofern war mir nicht mehr alles präsent... Vieles habe ich dennoch wiedererkannt, aber die Umsetzung hat es mühelos geschafft, dass mir die Geschichte trotzdem noch einmal frisch und neu vorkam. Es ist schon interessant, nach so vielen Jahren noch einmal an die ersten Vampirromane erinnert zu werden, die ich je in der Hand hatte! Seitdem habe ich viele, viele Vampirromane gelesen, aber ich muss sagen: ob man Anne Rice nun mag oder nicht, ihre Geschichten um Lestat, Louis, Claudia, Armand, Marius und all die anderen Geschöpfe der Nacht haben das Genre damals neu definiert und üben immer noch eine unglaubliche Sogwirkung aus. Dabei sind ihre Vampire meist nicht die zahmen Blutsauger, denen man heute so oft in Büchern begegnet und die nicht töten oder sogar gar kein Menschenblut trinken... Sie töten, oft sogar aus Spaß. Menschlichkeit wird eher als Schwäche gesehen, wie im Fall von Louis, der sich weigert, seine neue vampirische Natur voll auszuleben.

Anne Rice hat sich in ihren Büchern nie gescheut, Tabuthemen anzupacken. Und auch die Geschichte rund um Claudia ist ein solches Tabuthema. Ein kleines Kind wird zum Vampir gemacht, und im Laufe der Jahre wächst ihr Geist heran - wenn auch verzerrt und ohne ein normales Gewissen -, während ihr Körper unverändert bleibt. Sie hat die Bedürfnisse und Wünsche einer Frau, und es berührt sicher nicht nur mich unangenehm, wenn sie von Louis als ihrem Geliebten spricht, oder wenn Louis zugibt, dass es nicht nur der Wunsch nach ihrem Blut war, der ihn ursprünglich dazu brachte, von ihr zu trinken... Dabei lässt dieser Comic offen, ob zwischen Claudia und Louis jemals tatsächlich etwas passiert ist, oder ob das nur Wunschdenken von Claudia ist.

Claudias Geschichte ist spannend, und dabei bedrückend und tragisch. Sie ist ein zwiespältiger Charakter, erschreckend skrupellos... Aber kann sie etwas dafür? Sie wurde aus ihrem menschlichen Leben gerissen, bevor sie menschliche Moral und Wertvorstellungen erlernen konnte. Und trotz Allem habe ich mit ihr mitgelitten.

Für Leser der Bücher ist der Comic sicher eine Bereicherung, eine Erweiterung der Original-Geschichte. Aber ich denke, man kann den Comic auch lesen, ohne die Bücher zu kennen, die Geschichte ist in sich abgeschlossen.