Die Spione von Myers Holt - Eine gefährliche Gabe

Die Spione von Myers Holt - Eine gefährliche Gabe - Monica Meira Vaughan Pro:
Die Geschichte klingt nicht ganz unbekannt: Chris, der 12-jährige Held dieses Romans, hat eine wirklich schwere Kindheit. Sein Vater ist vor sieben Jahren gestorben, und seitdem verbringt seine Mutter ihre Tage stumpfsinnig und teilnahmslos auf dem Sofa vor dem Fernseher, so dass Chris sich alleine darum kümmern muss, dass Essen auf den Tisch kommt, die Wäsche gewaschen und die Rechnungen bezahlt werden. In der Schule gilt er als Problemkind, da er öfter gezwungen ist, Essen aus der Kantine zu stehlen, und immer etwas verwahrlost aussieht. Keiner glaubt an ihn, niemand kümmert sich wirklich um ihn.

Da erscheint es wie ein Wunder, dass plötzlich ausgerechnet er besondere Gaben haben und an eine ganz spezielle Schule für begabte Kinder gehen soll!

Ja, das Ganze hat mich oft sehr an Harry Potter erinnert. Statt magischer Fähigkeiten gibt es hier paranormale Begabungen wie Gedankenlesen und Telekinese, statt der Zaubererschule Hogwarts ein Trainingscenter für junge Geheimagenten, dass durch beeindruckendste Technik fast genauso magisch wirkt... Das hat mich aber meist nicht weiter gestört, denn die Autorin macht eben doch etwas ganz Anderes aus diesem Thema: eine spannende, temporeiche Geschichte, die junge Leser bestimmt in ihren Bann zieht und heimlich wünschen lässt, sie könnten auch mal so etwas Cooles erleben... Ein bisschen James Bond, ein bisschen Hogwarts, ganz viel Action!

Zwar ist schon ziemlich schnell klar, wer der Bösewicht ist, der hinter Allem steckt, aber es bleibt trotzdem spannend und dabei (meiner Meinung nach) altersgerecht. Auch die Charaktere haben mir gut gefallen. Zum Teil sind sie liebenswert und lustig, wie z.B. der riesige Leibwächter John, der ein richtiges Herz aus Gold hat und sich als Haustier ausgerechnet eine kleine Pudeldame hält, oder Chris Mitschülerin Daisy, die bei allem in Verzückung gerät, das niedlich und rosa ist... Dann gibt es natürlich noch Charaktere wie die fiese Lehrerin, die Gedankenlesen unterrichtet und von Anfang an etwas gegen Chris hat - sie hat mich ein wenig an Professor Snape aus Harry Potter erinnert! Christ, der Held der Geschichte, war mir direkt sympathisch und ich habe ihm die Daumen gedrückt, dass sein Leben endlich etwas besser verläuft...

Besonders gut gefallen hat mir aber, dass die "Bösen" nicht immer 100%ig böse sind und die Guten nicht immer 100%ig gut. Tatsächlich steht einer meiner Lieblingscharaktere auf der "falschen" Seite und ich bin wirklich gespannt, ob sich das in den folgenden Bänden vielleicht ändern wird...?

Der Schreibstil ist recht einfach, was ich aber als passend für die jugendliche Zielgruppe empfinde.

Das Cover der deutschen Ausgabe gefällt mir richtig gut - eine sehr schöne, detaillierte Illustration, die wunderbar zum Inhalt des Buches passt und mir in der Buchhandlung direkt ins Auge springen würde!

Kontra:
Die ein oder andere Szene hat mich dann doch ein bisschen zu sehr an Harry Potter erinnert. Z.B. bringt die Lehrerin, die Chris nach Myers Holt einladen soll, einen Geburtstagskuchen für ihn mit, da er genau an dem Tag zufällig 12 Jahre alt wird... Da musste ich natürlich an Hagrid denken, es fehlte nur noch das "Du bist ein Zauberer, Chris!"

Gegen Ende fand ich die Handlung plötzlich etwas konfus und verworren, und es passiert etwas, das meiner Meinung nach danach nicht genug thematisiert wird: Chris tut etwas richtig Schlimmes mit seiner Gabe, lässt sein Gewissen aber erstaunlich schnell beruhigen. Das war für mich nicht so ganz glaubwürdig, ich denke aber, dass es im nächsten Band wieder aufgegriffen wird.

Nur ganz selten kamen mir die Reaktionen der Kinder nicht wirklich passend vor - gibt es z.B. wirklich einen 12-jährigen Jungen, den die Aussicht, im Smoking auf einen Ball zu gehen, in Verzückung versetzt? -, und manche Szenen waren mir etwas zu... Friede-Freude-Eierkuchen, um es mal so zu sagen, aber das kam nur selten vor.

Zusammenfassung:
Trotz kleinerer Schwächen und leichter Parallelen zu anderen Büchern hat mir das Buch gut gefallen, und ich werde es vor Allem Bekannten mit Kindern im Alter 12 bis 14 weiterempfehlen! Besonders für Jungs, die sicher nicht so sehr auf die romantischen Fantasy-Jugendbücher stehen, die im Moment den Markt überfluten, ist das vielleicht genau das Richtige.