Mikka liest das Leben

Ich lese fast alle Genres, und deswegen rezensiere ich fast alle Genres! Krimi, Fantasy, Science Fiction, Jugendbuch, Liebesroman... Hauptsache, packend und unterhaltsam!

Zwischen Heldentum und Pausenhof

Basaltblitz - Superhelden - Markus Tillmanns

"Basaltblitz" geht in die vierte Runde, und in meinen Augen hat die Serie nichts an Originalität verloren! Die Bücher bieten einfach eine großartige Mischung aus rasanter Action, einem eher ungewöhnlichen Superhelden-Mythos (Superman hat jedenfalls keinen Kometen gegessen!), ganz normalen Teenagerproblemen und einem schrägen Humor.

Vor allem der Humor ist für mich ein absolutes Highlight! Wie schon bei den letzten Bänden musste ich beim Lesen immer wieder schmunzeln oder sogar laut lachen.

Und trotzdem ist das Buch auch spannend, denn Nicks Leben ist echt nicht einfacher geworden, seit die Superschurken auf der Bildfläche erschienen sind! Außerdem muss er sich damit rumschlagen, dass sein bester Freund Be sich merkwürdig verhält und ihm anscheinend Sachen verschweigt, und sein Dackel Schnüffkes hat Albträume. (Irgendwie auch kein Wunder, denn es ist für einen Dackel nicht einfach, ein Wer-Mensch zu sein.)

Die Handlung ist oft absolut irre, und dennoch kaufe ich sie dem Autor ab - auf verquere Art und Weise ist das alles glaubhaft und in sich schlüssig. Ein bisschen erinnert mich das an die Bücher von Douglas Adams! Die waren auch voller irrwitziger Ideen und Handlungsstränge, und trotzdem "funktionierte" einfach alles.

Dass "Basaltblitz" so glaubhaft ist, liegt meiner Meinung nach vor allem am Hauptcharakter: Nick ist ein rundum liebenswerter Junge, der trotz seiner Superkräfte irgendwie auch ein ganz normaler Teenager ist. Er hat seine Schwächen, er ist kein perfekter "Man of Steel" - aber er ist mitfühlend, einfallsreich, loyal und witzig. (Alleine schon dafür, wie liebevoll er mit seinem Dackel Schnüffkes umgeht und wieviel Sorgen er sich wegen dessen Albträumen macht, bekam er dieses Mal eine Million Pluspunkte.)

Zitat:
"Böse Geheimnisse verbergen sich oft im Dunkel. Sie verkriechen sich in Kellerräumen oder Tiefgaragen. Sie tauchen ab in Kanalisationen oder Katakomben. Denn Geheimnisse, das weiß jeder, müssen das Licht scheuen. Noch nie hat ein Mensch bei hellster Mittagssonne ausgerufen: Hurra, ich habe das Mysterium der Blutschwestern gelöst. Nein, wirklich böse Geheimnisse sind Meister des Versteckens."

Der Schreibstil hat mir im vierten Band auch wieder sehr gut gefallen! Er las sich wie immer locker-flockig und unterhaltsam runter, so dass ich das Buch in Nullkommanix durch hatte.

Ohne schon zu viel zu verraten: das Buch nimmt am Ende eine Wendung, die ich wirklich nicht vorhergesehen habe, die aber im Nachhinein auch vieles aus den bisherigen Bänden erklärt! Ich bin gespannt, wie sich das in den nächsten Bänden auswirken wird.

Einen kleinen Punktabzug gab es für die Fehler, die mir immer mal wieder ins Auge gesprungen sind, sowas wie "Sogar Nele setzte sich für einen paar Minuten neben ihn."

Fazit:
Im vierten Band von "Basaltblitz" überschlagen sich die Ereignisse mal wieder. Es ist halt nicht einfach für einen jungen Superhelden, fiese Lehrer, Mobber und Heldentaten unter einen Hut zu bekommen! Ein kleiner Trost ist Nick da nur, dass Spiderman das offensichtlich auch nicht besser hinbekommt...

Mir hat das Buch wieder sehr viel Spaß gemacht - ich bin einfach ein großer Fan der Reihe, besonders des durchgeknallten Humors! Wer Bücher wie "Per Anhalter durch die Galaxis" mag, sollte "Basaltblitz" defintiv eine Chance geben und in die Leseprobe reinlesen.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/08/basaltblitz-superhelden-band-4-von.html

»Ich bin in meinen besten Jahren!«

Die Blütezeit Der Miss Jean Brodie: Roman - Muriel Spark

Als erstes möchte ich der Madison Public Library (der öffentlichen Bibliothek von Madison) zustimmen, die das Buch auf ihre Liste der 100 gut lesbaren Klassiker gesetzt hat. Die Bibliothek definiert die beiden Kriterien wie folgt (von mir ins Deutsche übersetzt):

»Ein Klassiker ist ein Werk von anhaltendem Interesse und anhaltender Anziehungskraft, in dem folgende Generationen zeitlose Wahrheiten finden können.
Gut lesbar sind diejenigen Klassiker, deren Anziehungskraft sich direkt offenbart und durchweg bestehen bleibt.«

Beides trifft in meinen Augen auf dieses Buch zu. Ich war schon nach wenigen Sätzen gefangen von der Geschichte rund um Miss Jean Brodie, diese so charismatische wie manipulative, so weltoffene wie engstirnige Lehrerin, und ihre Lieblingsschülerinnen. Muriel Spark spricht in diesem dünnen Bändchen eine erstaunliche Vielzahl an Themen an: Erziehung und die Rolle von Autoritätspersonen im Leben ihrer Schützlinge, Gruppendynamik und Individualität, Vorbestimmung und freier Wille, Instinkt und rationale Einsicht, Sexualität, Religion, Faschismus...

Das liest sich erstaunlich unterhaltsam, mit einem großartigen Humor, und dennoch ertappt man sich Stunden, nachdem man das Buch zugeklappt hat, noch dabei, wie man darüber nachgrübelt.

Ich will euch nicht mit einer ellenlangen Analyse langweilen, deswegen hier nur ein paar meiner Eindrücke:

Miss Jean Brodie ist eine unkonventionelle Lehrerin, die sich mit selbstverständlicher Missachtung über die vorgeschriebenen Lehrpläne hinwegsetzt. Wenn eigentlich Geschichte oder Grammatik an der Reihe wären, erzählt sie stattdessen von ihrem glamourösem Leben - ihren Reisen, ihrer tragischen großen Liebe und immer wieder von der Bedeutung ihrer persönlichen "Blütezeit", die sie für ihre Schülerinnen opfert. Ich habe schon erwähnt, dass sie eine charismatische Frau ist, die das aber auch einsetzt, um Menschen zu manipulieren: Sie wählt sich ganz bewusst Schülerinnen heraus, die ihr würdig erscheinen, und beginnt damit, sie nach ihrem Vorbild zu formen. Einerseits erweitert sie mit ihren außergewöhnlichen, manchmal sogar radikalen Ideen sicher den Horizont ihrer Mädchen, anderseits erwartet sie von ihnen, diesen dann direkt wieder einzuschränken - denn Miss Brodies grundlegendste Eigenschaft ist vielleicht ihre Ich-Bezogenheit. Ob bewusst oder unbewusst, in ihrer kleinen Welt ist sie selbst das Maß und Zentrum aller Dinge, und sie erwartet ständige Bewunderung und Bestätigung, sowie bedingungslose Loyalität. Der Verdacht drängt sich auf, dass Miss Brodies angeblich so schillerndes Leben in Wirklichkeit doch nur ein ganz gewöhnliches, vielleicht sogar armseliges ist... Ihr Verhalten ist oft extrem übergriffig und für das Alter ihrer Schülerinnen vollkommen unangemessen.

Es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, würde ich auf jedes Brodie-Mädchen einzeln eingehen, deswegen möchte ich nur Sandy und Mary erwähnen.

Es wird immer wieder erwähnt, dass Sandy außergewöhnlich kleine Augen hat, und dennoch ist sie wahrscheinlich diejenige mit der klarsten Einsicht in die Gruppendynamik der Auserwählten von Miss Brodie - was allerdings nicht heißt, dass es ihr leichtfällt, sich dem zu widersetzen! Sie versteht instinktiv, dass Miss Brodie die einfältige, ungeschickte Mary ganz bewusst zum Sündenbock macht, um der Gruppe sozusagen ein Ventil für ihre Frustrationen und Zweifel zu geben, das sie beliebig steuern kann. An einer Stelle setzt sie Miss Brodies' Instrumentalisierung von Gruppenzwang und Feindbildern gleich mit der Art von Dynamik, mit der charismatische Despoten wie Mussolini ihre Anhänger an sich binden - was umso bestürzender ist, da Miss Brodie tatsächlich glühende Anhängerin von Mussolini und Hitler ist.

Sandy scheint im gleichen Maße angezogen und abgestoßen von ihrer Lehrerin, und ich habe mich ein paarmal gefragt, ob sie nicht auch unterdrückte romantische Gefühle für sie hat.

Traurigerweise kann sich sogar die immer wieder erniedrigte und gescholtene Mary nicht von Miss Brodies Einfluss lösen sondern denkt Jahre später noch darüber nach, dass die Zeit mit Miss Brodie die schönste ihres Lebens war. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass die Mädchen alle auf irgendeine Art in ihrer emotionalen Entwicklung verkrüppelt wurden durch Miss Brodies' Einfluss.

Es ist immer mal wieder die Rede von den beiden Männern in Miss Brodies' Leben, aber auch diese werden von ihr manipuliert und als Mittel zu dem Zweck eingesetzt, ihr schnödes Dasein dramatischer und glamouröser zu gestalten. Verstörenderweise strebt sie sogar in diesem Aspekt ihres Lebens danach, quasi eine zweite Jugend durch ihre Schülerinnen zu erleben...

Den Schreibstil fand ich ganz wunderbar, mit zarten Formulierungen und genau der richtigen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor. Jedem, dem es möglich ist, würde ich unbedingt das englische Original empfehlen, denn in der deutschen Übersetzung geht ein klein wenig des sprachlichen Zaubers verloren. Womit ich nicht sagen will, dass es eine schlechte Übersetzung ist! Peter Naujack ist sicher ein großartiger Übersetzer klassischer Werke, aber ich stimme dem Autor Miguel de Cervantes zu: »Das Lesen einer Übersetzung entspricht der Untersuchung der Rückseite eines Gobelins«.

Fazit:
Eine so charismatische wie eigensüchtige Lehrerin steuert in den 30er Jahren das Leben einer kleinen Gruppe auserwählter Schülerinnen, scheitert aber letztendlich daran. So könnte man es zusammenfassen, denn es passiert an sich nicht viel in diesem kleinen Büchlein - es lebt weniger von der Handlung als von den Einsichten in das oft verquere Seelenleben der Charaktere und die merkwürdige Dynamik innerhalb ihrer sozialen Gruppe.

"Die Blütezeit der Miss Jean Brodie" ist in meinen Augen ein sehr guter Einstieg für Leser, die sich gerne mehr mit den Klassikern der Literatur beschäftigen möchten: es ist kurz, leicht verständlich und unterhaltsam, bietet dabei aber viel Stoff zum Nachdenken.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/08/die-literarische-schatzkiste-die.html

Spannendes Abenteuer für kleine Leser

Das Geheimnis von Six - Monica Meira Vaughan, Anja Hansen-Schmidt

Handlung:
Eigentlich findet der 12-jährige Parker sein Leben zur Zeit ganz schön doof. Gerade ist er zusammen mit seinem Vater und seiner kleinen Schwester Emma von England nach Amerika gezogen, und als wäre das nicht Grund genug zum Schmollen, hat er an seinen neuen Schule natürlich direkt einen fiesen Erzfeind, während Emma mühelos neue Freundinnen findet. Auch seine Mutter, die drei Jahre zuvor bei einem Unfall gestorben ist, vermisst er immer noch unheimlich. Dass ihr Vater gerade nur wenig Zeit für seine Kinder hat, weil er als Wissenschaftler an einem ultrageheimen Projekt mitarbeitet, macht das alles nicht besser.

 

Die Dinge scheinen sich zum Besseren zu wenden, als er in dem gleichaltrigen Michael einen treuen Freund findet. Der hat stinkreiche Eltern, so dass er immer den neusten Computer und die coolsten Spielsachen bekommt, die haben allerdings nie Zeit für ihn. Als Parkers Vater entführt wird, tun sich Parker, Emma und Michael zusammen, um ihn zu retten. Zur Seite stehen ihnen dabei der Butler von Michaels Eltern, das weiße Schwein Polly und der geheimnisvolle Gladstone, der vielleicht ein bisschen wahnsinnig ist.

 

Meine Meinung:

"Das Geheimnis von Six" ist ein rasantes Abenteuer für junge Leser und Leserinnen ab etwa 8 Jahren. Die bunte, einfallsreiche Mischung aus Action, Science Fiction und verschiedenen Alltagsthemen (wie Mobbing, Freundschaft oder Familie) kann bestimmt Jungen und Mädchen gleichermaßen ansprechen, und in Parker, Emma und Michael finden sie dabei interessante Hauptfiguren, mit denen sie sich gut identifizieren können.

 

Parker ist ein hochintelligenter Junge, der gerne Sachen repariert und schon als kleines Kind einen Computer auseinanderbauen und wieder zusammensetzen konnte. Er ist manchmal unsicher und leidet darunter, wenn die anderen Kinder über seinen englischen Akzent lachen, lässt sich aber auch nicht einfach alles gefallen. Wenn es um seine kleine Schwester geht, wird er schnell zum Beschützer. Überhaupt fand ich rührend, wie die beiden Geschwister miteinander umgehen. Klar gibt es die ganz normalen Zankereien, aber im Ernstfall gehen die zwei zusammen durch dick und dünn!

 

Emma ist zwei Jahre jünger als Parker und seit ihrer Geburt taub, was sie selber aber gar nicht wirklich als Behinderung sieht. Sie beherrscht nicht nur die Zeichensprache, sondern kann auch von den Lippen lesen und kommt so im Alltag gut klar. Was ich an ihr besonders sympathisch fand: obwohl sie noch so jung ist, hat sie schon ein stark ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit.

 

Gerade über Emma werden im Buch auch ernste Themen angesprochen: Warum machen wir Menschen unseren Planeten kaputt? Ist das gerecht, wenn wenige Menschen reich und mächtig sind und dafür viele Menschen arm? Allerdings bleibt das eher oberflächlich, denn die Geschichte ist doch vor allem eine spannende Abenteuergeschichte.

 

Michael ist der Sohn reicher Eltern und musste sich über Geld noch nie Gedanken machen. Sein Zimmer ist riesig, er besitzt mehrere Computer und Unmengen von Spielzeug, dafür ist er aber auch oft einsam. Seine Eltern sind immer unterwegs und überlassen ihren Sohn der Haushälterin und dem Butler. Parker und Michael sind ein großartiges Team, denn Parker kennt sich gut mit Hardware aus, Michael ist dagegen ein begabter Hacker und Programmierer. Er ist ein lieber Kerl, der für seine Freunde alles tut, aber auch ein bisschen ängstlich ist.

 

In meinen Augen hat die Geschichte für eher ungeübte kleine Leser womöglich zu viele Nebenhandlungen, die für die Hauptgeschichte eigentlich nicht so wichtig sind und deswegen verwirrend sein könnten. Andererseits sind gerade die oft sehr witzig (wie das Schwein Polly) oder bieten Berührungspunkte mit dem eigenen Leben (wie der gemeine Aaron, der Parker und Michael drangsaliert).

 

Oft kommen Parker und seine Freunde nur durch unglaubliche Zufälle weiter (zum Beispiel können sie in ein bewachtes Gebäude eindringen, weil gerade niemand an der Rezeption sitzt und anscheinend auch niemand auf die Überwachungskameras achtet), und es ist schon unheimlich praktisch, dass sie durch Michael quasi unbegrenzt viel Geld und einen verschwiegenen sowie hilfreichen Butler zur Verfügung haben! Aber das fand ich gar nicht so tragisch für die Altersgruppe, denn das vereinfacht die Geschichte auch und macht sie dadurch leichter verständlich. Außerdem, mal ganz ehrlich: als Kind liest man doch gerne Geschichten, in denen andere Kinder im eigenen Alter wahnsinnig coole Sachen erleben, oder? Da muss nicht immer alles realistisch sein.

 

Die Geschichte liest sich für ältere Leser vielleicht manchmal ein bisschen zu gradlinig oder einfach. Die Rollen sind klar verteilt: die Guten sind gut, die Bösen sind böse. Aber für die Altergruppe, für die das Buch gedacht ist, finde ich das Buch sehr spannend - mit vielen tollen Ideen, wie zum Beispiel das "Effie", ein von Parkers Vater erfundenes Gerät, das Gehirnwellen und damit Gedanken per Funk versenden und empfangen kann.

 

Der Schreibstil ist locker und einfach zu lesen, dabei aber nicht platt oder einfallslos.

 

Fazit:
Eine spannende Geschichte für kleine Leser, in der es um Mobbing und faule Lehrer genauso geht wie um Teleportation und einen fremden Planeten. Die Geschichte wird einfallsreich und kindgerecht erzählt, und die drei Hauptfiguren sind nett, clever und mutig... Meine Meinung: für Kinder auf jeden Fall lesenswert.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/08/das-geheimnis-von-six-von-monica-m.html

Namaste, Leben - lecktsmialleamarsch!

Tante Poldi und die Früchte des Herrn: Kriminalroman - Mario Giordano

Ganz ehrlich - ich hatte sowas von keine Lust auf Tante Poldi. Null. Niente. Nüsche. Eine 60-jährige Bayerin, die nach Sizilien zieht, um sich da gepflegt zu Tode zu saufen, und dabei unversehens in verschiedene Kriminalfälle stolpert? Womöglich noch mit krachledernem Brachialhumor? Sprach mich überhaupt nicht an.

 

Anfang Mai trudelte mir das Buch ganz überraschend als Rezensionsexemplar ins Haus, begleitet von einer großen Packung Kekse. Die Kekse waren sehr lecker und stimmten mich Poldi gegenüber schon etwas milder, aber Lesefieber stellte sich dennoch nicht ein. Trotzdem: ich war ihr irgendwie was schuldig (Keksschulden sind Ehrenschulden), und so griff ich fast drei Monate später dann halt doch zähneknirschend nach dem Buch.

 

Tja. Drei Tage später sitze ich jetzt hier mit Bauchschmerzen in den Lachmuskeln und kann nur sagen: Namaste, Lübbe! Das Buch war echt der Brüller, und jetzt muss ich schnell noch den ersten Band nachholen und dann auf zeitiges Erscheinen des dritten Bandes hoffen. (Übrigens kann man den zweiten Band problemlos lesen, ohne den ersten zu kennen.)

 

Poldi ist einfach eine Nummer für sich - eine schrille, laute, quietschbunte Nummer. Sie pflügt oft mit ausgefahrenen Ellbogen durchs Leben und lässt sich nix vorschreiben, gell? Da kann sie saugrantig werden. Wenn man ihr glauben kann, hat sie schon so einige Abenteuer erlebt, wobei das halt die Frage ist... Soll man ihr zum Beispiel wirklich glauben, dass Cher mal eine Woche bei ihr gewohnt hat? Andererseits ist des aber auch fei egal. Sie schwankt zwischen Lebenslust und Schwermut, hat koane Geduld für Schmarrn aber viel Sinn fürs Spirituelle (in jedweder Hinsicht), und obwohl sie sicher keine einfache Person ist, fand ich sie auf ihre Art doch sehr liebenswert.

 

Überhaupt sind die Charaktere durch die Bank bunt und lebendig, mit urkomischen Schrullen und Marotten, und trotzdem schafft es der Autor, ihnen bei allem Humor auch Tiefe zu geben. Ob das jetzt der Pfarrer ist, der komischerweise genau weiß, wie man ein Schloss knackt, oder die traurige Signora, die sich mit ungeahntem Feuereifer als Poldis Sidekick in die Ermittlungen stürzt... Hier werden zwar auch kräftig Klischees auf die Schippe genommen, aber in meinen Augen geht dennoch jeder Charakter über das Klischee hinaus.

 

Ich fand diese Mischung aus Cozy-Krimi, sizilianischem Sommerflair und bayerischem Humor unerwartet originell (und wie!), spannend, lustig, berührend...

 

Jo, es ist freilich keine nervenzerfetzende Thrillerspannung. Die Poldi ist keine Smoky Barrett oder Roberta Hunter, eher eine bayrisch-sizilianische Miss Marple mit Vespa, Perücke und Alkoholproblem. Sie stolpert oft mehr zufällig über Hinweise und verrennt sich auch schon mal in Sackgassen. Für richtige Hardcore-Krimileser kommt der Mordfall vielleicht ein bisschen zu kurz, obwohl ich die Auflösung dann doch ziemlich pfiffig fand!

 

Rührend fand ich, dass die Poldi zeigt, dass man mit 60 noch lang nicht zu alt ist für Amore. Auch ein altes Herz kann hüpfen... Und manchmal auch brechen! Die Liebesgeschichte folgt ma grad so gar keinem Schema, weder F noch X, Y, Z. Aber süß ist sie trotzdem, irgendwie.

 

Zitat:
"Eine deutsche Hupe, des ist immer eine Kriegserklärung, die Invasionstruppen quasi bereits an der Grenze. Eine italienische Hupe dagegen klingt wie ein freundliches Räuspern, wie ein geflötetes: »Permesso?«, oder wie ein sanftes: »Ach, Signora, würden sie wohl bitte anhalten, denn ich bin eh schon dabei, Ihnen die Vorfahrt zu nehmen, grazie, molto gentile.« (...) Wenn Romeo eine Vespa g'habt hätte, nachert hätte er seiner Giulietta unterm Balkon garantiert was vorg'hupt, und des wär fei keinen Strich weniger romantisch g'wesen."

 

Der Humor war für mich eine sehr positive Überraschung, denn der ist zwar manchmal schrill und laut und oft ein bisserl albern, aber mich hat er total angesprochen - und in meinen Augen gehört er auch nicht in die Schublade "platte Schenkelklopfer". Allweil schwingt mit: Mei, schauts halt her, es is doch schee, das Leben. Das macht es zu einem wunderbaren Sommerbuch!

 

Der Humor ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache - aber das kann man ganz einfach ausprobieren, indem man sich schnell mal die Leseprobe durchliest, denn ich denke, das merkt man sofort.

 

Zitat:
"Trecastagni ist ein verträumter Ort, auf halber Höhe zwischen Himmel und Erde, von einem freundlichen Gott mit leichter Hand an die Ostseite des Ätna zwischen alte Nebenkrater getupft. Eines der an die zwanzig Ätnadörfer, die den Berg wie eine nachlässig geknüpfte Kette umgürten, weitgehend unverschandelt, wo die Sommer mild und die Winter klamm sind. Wo man aufs Meer in der Ferne blickt wie auf einen Gutschein für eine bessere Zukunft, den man nie einlösen wird."

 

Den Schreibstil fand ich fantastisch. Der Autor findet immer wieder witzige, frische Vergleiche und Formulierungen, zeigt aber auch einige Male, dass er nachdenklichere Tonarten ebenso beherrscht. Er beschwört Sizilien so lebendig herauf, so prallvoll mit Bildern, die alle Sinne ansprechen, dass man fast schon die Hitze spürt, den Wein schmeckt und Lust auf richtig waschecht sizilianische Küche bekommt.

 

Fazit:
Wenn man ein Buch geschenkt bekommt, von dem man sich quasi schon zu 99% sicher ist, dass es überhaupt nicht dem eigenen Beuteschema entspricht, dann ist das irgendwie doof. Und wenn man es irgendwann widerstrebend doch liest, dann fühlt sich das erstmal an wie früher bei den Hausaufgaben. Wenn man letztendlich aber feststellt, dass man gerade ein neues Lieblingsbuch entdeckt hat - dann kann man sich eigentlich nur freuen, still Abbitte leisten und sich vor dem Können des Autors verneigen.

 

Ich verneige mich also vor Mario Giordano und seiner sturen, eigenwilligen, schrillen, lebenslustigen, unerwartet liebenswerten Tante Poldi. Ein bisschen Krimi, enorm viel Humor und eine gute Portion Urlaubsatmosphäre ergaben für mich eine Mischung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat! Einerseits sollte man das Buch nicht zu ernstnehmen, andererseits versteckt sich aber auch die ein oder andere Lebensweisheit in seinen Seiten.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/08/tante-poldi-und-die-fruchte-des-herrn.html

Halt die Augen auf! Dreh dich im Kreis...

Pater Noster: Eine mörderische Kampagne - Carine Bernard

Vor Kurzem erreichte mich mit der Post ein kleiner weißer Karton. Absender: Carine Bernard, deren Buch "Das Schaf-Komplott" ich schon gelesen und geliebt hatte. Natürlich war ich neugierig auf den Inhalt des Kartons, und was ich darin fand, war einmal ein schickes rotes Armband, sowie eine Postkarte mit einem knallroten Auge und der Aufschrift "Halt die Augen auf!" Ein paar Tage später trudelte noch mehr Post hier ein, nämlich eine Einladungskarte mit dem Klappentext von "Pater Noster".

 

Eine sehr passende und clevere Werbeaktion, ist doch der Auslöser dieses Kriminalfalls eine beinahe identische Kampagne! Die drei wichtigsten Charaktere, Deborah Peters, ihr Arbeitgeber Carl Schulz und ihr Ex-Freund Stefan Schrödinger, sind alle in der Werbebranche tätig, und in der ersten Szene beobachten wir Stefan dabei, wie er stundenlang Armbänder und Zettel in Kartons verpackt. Später schlägt er sich die Nächte um die Ohren, um in der ganzen Stadt riesige Plakate mit dem auffälligen roten Auge aufzuhängen, und da erahnt man schon, dass diese Kampagne sicher mehr auslösen wird als den gewünschten Werbeeffekt... Immerhin ist im Klappentext die Rede von einem Mord.

 

Das Buch ist in meinen Augen eine lockere, unterhaltsame Mischung aus Krimi und Liebesroman. Wahnsinnig viel Tiefgang hat es vielleicht nicht, aber es hat mir dennoch Spaß gemacht und mir zwei vergnügliche Leseabende beschert. Obwohl es ein paar Szenen gibt, in denen eine Person einen langsamen, wirklich enorm qualvollen Tod stirbt, ist "Pater Noster" meines Erachtens deutlich mehr Cozy-Krimi als Psychothriller!

 

Die Spannung baut sich eher langsam auf, und die Auflösung am Schluss ist zwar gut durchdacht und originell, die Autorin hätte es dem Leser aber für meinen Geschmack mit falschen Fährten schwerer machen können (ab einem gewissen Punkt kam eigentlich nur noch eine Person als Täter in Frage).

 

Im Mittelpunkt steht vor allem die junge Deborah, die erst vor kurzem mit ihrem Studium fertig geworden ist. Ihr Freund Stefan hätte es gerne gesehen, wenn sie ihn danach in seiner Werbeagentur unterstützt hätte, sie wollte aber lieber erstmal Berufserfahrung in einer großen Firma sammeln und ein bisschen auf eigenen Füßen stehen. Dieser Konflikt führte dann auch zur Trennung.

 

Ich konnte Deborahs Wunsch nach Selbstständigkeit wirklich gut nachvollziehen, und ich fand es auch durchaus vernünftig von ihr, sich erst einmal ein bisschen was von den Großen der Branche abzuschauen! Leider lässt sie sich dann aber recht schnell ein Stück von diesem Weg abbringen, indem sie sich dann doch wieder einen Mann anlacht, der versucht, sie nach seinen Vorstellungen zu formen... Sie war mir aber sehr sympathisch, und sie entwickelt sich meiner Meinung nach im Laufe des Buches auch weiter und lässt sich nicht mehr ganz so einfach überrollen.

 

Carl war mir von seinem ersten Auftreten an unglaublich unsympathisch. Da kann er noch so attraktiv sein (obwohl ich es leicht verstörend fand, wie oft die Rede von seinem dichten, lockigen schwarzen Brusthaar ist), die Art und Weise, wie er über Frauen nachdenkt, als wären sie hübsche Trophäen... Brrr, nein. Da konnte ich überhaupt nicht verstehen,was Deborah an ihm so anziehend findet! Aber als er in Tatverdacht gerät, stellt sich natürlich die Frage: ist er nur ein Schürzenjäger, oder ist er auch ein Mörder? Außerdem: können seine Gefühle für Deborah ihn ändern und zu einem besseren Menschen machen? Bad Boy, oder einfach nur Mistkerl?

 

Stefan fand ich da schon "pflegeleichter". Er bekam zwar auch erstmal Punktabzug dafür, dass er versucht, Deborah ein schlechtes Gewissen dafür einzureden, dass sie auf eigenen Füßen stehen will, aber das konnte er im Laufe des Buches wieder wettmachen. Auch er gerät jedoch schließlich unter Tatverdacht. Hat er den Mord aus Eifersucht begangen, um ihn Carl unterzuschieben? Oder war doch jemand ganz anderer der Mörder? Kann Stefan lernen, Deborah mehr Freiraum zu geben?

 

Bis zum Schluss steht Deborah zwischen den beiden Männern, und man kann als Leser nur spekulieren, ob einer von den beiden ein falsches Spiel treibt... Übrigens gibt es die ein oder andere Erotikszene, und da geht es durchaus ausführlich beschrieben zur Sache! Ich fand es aber nicht zu übertrieben oder ausufernd (manchmal habe ich in Büchern das Bedürfnis, einfach weiterzublättern, wenn sich die Erotikszenen zu sehr ziehen), allerdings konnte sich bei mir auch kein rechtes Gefühl der Romantik einstellen. Aber das hat mich nicht weiter gestört, ich fand die Geschichte und den Kriminalfall an sich interessant genug.

 

Deborah und Stefan fand ich gut und stimmig geschrieben, aber Carl erschien mir oft als etwas zu einseitig, und auch ein paar der Nebencharaktere blieben für mich leider etwas blass.

 

Der Schreibstil ist locker und sehr angenehm zu lesen, die Seiten flogen nur so dahin. Ein netter Sommerkrimi für den Strandkorb oder das Badetuch!

 

Fazit:
Eine junge Frau hat gerade ihren ersten richtigen Job angetreten und will eigentlich nur Berufserfahrung sammeln und endlich auf eigenen Füßen stehen. Stattdessen muss sie sich nicht nur mit der Eifersucht ihres Ex-Freundes herumschlagen, sondern auch gegen ihre eigenen verwirrten Gefühle ankämpfen, die beim Anblick ihres attraktiven Chefs in Wallung geraten... Der Mord ist da sozusagen das Sahnehäubchen, denn jetzt muss Deborah sich nicht nur fragen, was sie wirklich für die beiden Männer empfindet, sondern auch, ob einer davon vielleicht ein Mörder ist.

 

Der Krimi nimmt erst nach der Hälfte des Buches an Fahrt auf, und auch dann bleibt die Spannung eher gemütlich - aber dennoch fand ich die Geschichte unterhaltsam und habe sie gerne gelesen. Ein bisschen Krimi, ein bisschen Liebesgeschichte, ein bisschen Gegenwartsliteratur.

Wunderschönes Kinderbuch - mit kleinen Schwächen...

Sharj und das Wasser des Lebens - Audrey Harings

 

Das bunte, fantasievolle Titelbild ist ein echter Hingucker! Auf der Vorderseite sieht man die Heldin der Geschichte, Sharj, in ihrer Menschen- und ihrer Elfengestalt. Die Rückseite zeigt ihren besten Freund José, links als Mensch und rechts als Drache.

Beim Durchblättern kann man dann noch viele farbenfrohe, ganzseitige Illustrationen entdecken. Gerade kleinen Lesern wird es bestimmt Spaß machen, sie sich anzuschauen, und beim Vorlesen bieten sie außerdem garantiert viel Anreiz zum gemeinsam darüber Sprechen. Das Buch ist wirklich ganz liebevoll gestaltet!

 

Empfohlen wird die Geschichte für ein Alter von 8 bis 12 Jahren, was mich beim Lesen allerdings mehr als einmal nachdenklich gestimmt hat. Warum? Zum einen, weil die Hauptfigur eines Kinderbuchs meist etwa im gleichen Alter ist wie die angestrebte Zielgruppe, um den Kindern eine Identifikationsfigur zu bieten - Sharj ist aber schon 15 und damit ein Teenager, genau wie José! Andererseits verhalten sie sich oft wesentlich kindlicher, insofern sollte sich ein mögliches "Fremdeln" eigentlich schnell geben. (Es gibt zwar eine Liebesgeschichte, die spielt aber erst am Schluss eine kleine Rolle und es bleibt bei einem Küsschen.)

 

Die Handlung ist so fantasievoll wie die Illustrationen: die beiden Jugendlichen begegnen den verschiedensten Wesen und müssen eine große Aufgabe erfüllen, nämlich den guten König Sloma retten, indem sie das Wasser des Lebens finden, und damit dem bösen König Maloc einen Strich durch die Rechnung machen. Dabei ist die Handlung sehr gradlinig und auch für Grundschüler gut verständlich: klar umrissene Probleme, einfache Lösungen. Die Charaktere sind wie im Märchen ganz eindeutig entweder als "gut" oder "böse" einzuordnen. Für Kinder erfüllen solche drastischen Gegensätze eine wichtige Funktion: sie dienen der Orientierung und helfen dabei, eventuell erschreckende, gruselige Szenen nicht so nah an sich ran zu lassen - der kleine Leser weiß schließlich, dass das Gute am Ende IMMER siegt.

 

Hier ist es dann eben auch so, dass der böse Pflegevater Otto nicht nur böse ist, sondern auch hässlich, dick und ungepflegt, mit fauligen gelben Zähnen und strengem Körpergeruch. Ich denke, Jugendliche und ältere LeserInnen werden sich damit eher unterfordert fühlen, aber für kleiner Kinder bietet das Buch spannende Unterhaltung.

 

Aber auch hier war ich mir nicht immer sicher, was die Altersempfehlung betrifft:

Die Handlung spielt zum Teil in der realen Welt, und zum Teil in einer magischen Welt. In der magischen Welt haben es Sharj und José mit Gegnern zu tun, wie sie kleine Leser schon aus Märchen kennen, und ich denke, deswegen können sie auch damit umgehen, wenn zum Beispiel böse Stumps José ganz fies mit ihren Speeren verletzen.

 

Ein paar Szenen in der realen Welt könnten kleinere Kinder aber überfordern, weil sie nicht in das bekannte Schema vom unbesiegbaren Guten passen. Zum Beispiel kommt ein Mädchen namens Tina vor, und deren Vater ist Pathologe. In einer Szene erzählt sie ihrer Freundin von einer Frauenleiche, die im Wald gefunden wurde, und wie man den Todeszeitpunkt bestimmen konnte, weil Insekten ihre Eier in die Leiche abgelegt hatten... Außerdem wollen Sharjs Pflegeeltern sie umbringen, um an ihr Erbe zu kommen, und sprechen da mehrmals ausführlich drüber! Ganz ehrlich, ich würde manche Szenen beim Vorlesen klammheimlich überspringen...

 

Den Schreibstil finde ich passend für Leser ab acht Jahre: er ist sehr einfach und bis auf gelegentliche schwierige Wörter auch kindgerecht.

 

Gestört hat mich allerdings, dass das Buch in meinen Augen ein gründlicheres Korrektorat hätte vertragen können: es gibt immer mal wieder Rechtschreibfehler, wie zum Beispiel fälschlich auseinander geschriebene Worte ("Schmatz Geräusche"), unpassende Zeitformen oder Kommafehler. Es häufen sich auch öfter dieselben Wörter ganz extrem - so kommt auf Seite 109 zum Beispiel 5 Mal das Wort "Funkeln" vor, plus einmal "funkelte".

 

Fazit:
Eine märchenhafte, fantasievolle Geschichte für kleine Leser ab 8, mit wunderbaren farbenfrohen Illustrationen: Sharj und ihr bester Freund José werden in eine magische Welt berufen, um einen guten König zu retten, und verwandeln sich dazu in eine Elfe und einen Drachen.

 

Die Handlung ist gradlinig, die Charaktere wie im Märchen stereotyp "gut" oder "böse" (was für Kinder aber nichts Schlechtes sein muss), und ein kleiner Leser kann sich immer sicher sein, dass es für jede Lösung ein Problem gibt und das Gute am Ende siegen wird... Naja, jedenfalls fast. Es gibt durchaus ein paar Szenen, die ich für kleine Kinder nicht geeignet finde, aber die lassen sich beim Vorlesen relativ problemlos überspringen.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/sharj-und-das-wasser-des-lebens-von.html

Not to blame...

Blame - Simon Mayo

"Heritage crime", übersetzt etwa "Erbverbrechen":


Für ein Verbrechen haftet nicht mehr nur der Täter selber, sondern in Sippenhaft auch seine Erben bis in die zweite Generation. Dafür gibt es spezielle "Familiengefängnisse", in denen durchaus auch kleine Kinder gefangen gehalten werden, denn die Öffentlichkeit will Sündenböcke sehen für die schlechte Wirtschaftslage. Die Begründung ist, dass die Nachfahren von Verbrechern indirekt auch von den Verbrechen profitiert haben und daher auch dafür zahlen müssen.

 

Simon Mayo bietet in "Blame" großartige Ideen und brisante Themen, die interessante moralische und ethische Fragen aufwerfen: Die Tendenz des Menschen, stets nach einem Sündenbock für die eigene Schwierigkeiten zu suchen, die Tendenz der Politik, das wiederum für Wahlkampfzwecke auszunutzen, die Macht der Medien und vieles mehr.

 

Leider geht das Buch bei den meisten dieser Themen nicht in die Tiefe, denn ab einem gewissen Punkt der Geschichte muss die Handlung immer mehr hinter schierer, explosiver Action zurückstecken - Gefängnisrevolten, Kämpfe, wilde Fluchten, gefolgt von mehr Kämpfen...

 

Dadurch war das Buch in meinen Augen zwar ein kurzweiliges Vergnügen und las sich durchweg spannend - ich hätte es aber lieber gesehen, wenn der Autor das Tempo auch mal runter gefahren und dem Leser stattdessen diese dystopische Zukunft mit ihren politischen und gesellschaftlichen Strukturen näher gebracht hätte, mit wesentlich mehr Details.

 

Außerdem gibt es in meinen Augen ein paar gravierende Lücken und logische Fehler! Zum Beispiel ist es für Insassen anscheinend überhaupt gar kein Problem, frei auf ihre Bankkonten zuzugreifen, um die Wachen großzügig zu bestechen. (Wobei die Wachen bei dem Ausmaß, wie es hier beschrieben wird, inzwischen alle stinkreich sein müssten.) Oder ein Wachmann des Gefängnisses, in dem die Protagonistin sitzt, kennt einfach so das enorm wichtige Geheimnis eines enorm wichtigen Mannes - aber woher? Keine Ahnung, denn das wird nicht näher erklärt!

 

Manchmal hatte ich das Gefühl, die Action soll auch davon ablenken, dass nicht alles perfekt durchdacht ist...?

 

Die Charaktere fand ich überwiegend ganz gut geschrieben, auch wenn ein paar durch das schiere Tempo der Geschichte etwas blass bleiben.

 

Ant ist eine zornige junge Frau, die auf fast alles mit kämpferischem Eigensinn reagiert - was ich in ihrer Situation gut nachvollziehen konnte!

 

Ihre Beziehung zu ihrem kleinen Bruder Mattie ist unglaublich rührend. Die beiden sind in schwierigen Verhältnissen großgeworden, mit einem kriminellen, prügelnden, drogensüchtigen Vater (dem sie es auch zu verdanken haben, dass sie im Gefängnis sitzen) und einer Mutter, die jede Gegenwehr aufgegeben hat. Deswegen haben sie immer nur einander gehabt, und Ant hat für Mattie fast schon eine Mutterrolle eingenommen.

 

Interessant fand ich auch, dass wir mit Ant und Mattie zwei Protagonisten begegnen, die einmal nicht aus der weißen Mittelschicht kommen, sondern deren Wurzeln in der haitianischen Kultur liegen.

 

Was mich enorm gestört hat: Ant ist immer wieder wahnsinnig wichtig, auf eine Art und Weise, die ich oft maßlos überzogen fand. Die Begründung dafür kam mir meist etwas fadenscheinig vor. Es ist schwierig, zu erklären, was ich damit meine, ohne schon zu viel zu verraten! Deswegen hier nur ein Beispiel, das ich so schwammig wie irgend möglich formuliere:

 

Inhaftierte Mitglieder einer Gang sind nach einer blutigen Revolte in der Position, Forderungen stellen zu können, da sie auch wichtige Geißeln in ihrer Gewalt haben. Statt besserer Haftbedingungen oder Freilassung ist ihre einzige (!!) Forderung, dass man ihnen Ant ausliefert - nur weil die sich mit einem Mitglied angelegt hat, das dabei noch nicht mal wirklich zu Schaden gekommen ist. Wirklich? Todesopfer auf beiden Seiten, ein enormes Polizeiaufgebot, und sie sagen (beinahe buchstäblich): gebt uns Ant, dann vergessen wir das alles und gehen brav zurück in unsere Zellen?!

 

Der Schreibstil hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen, nur die Dialoge lasen sich für mich gelegentlich etwas holprig. Meiner Meinung nach schreibt Simon Mayo großartige Actionszenen, aber in den ruhigeren Szenen erreicht er nicht ganz die gleiche Qualität.

 

Es gibt eine eher halbherzige Liebesgeschichte, die auf mich etwas aufgesetzt wirkte - das hätte für mich nicht unbedingt sein müssen, stört aber meines Erachtens auch nicht.

 

Fazit:

 

HINWEIS: bisher gibt es das Buch nur auf Englisch!

 

Die Grundidee hat viel Potential: in naher Zukunft führen viele Länder das sogenannte "Erbverbrechen" ein, was eigentlich nur bedeutet, dass bis zu zwei Generationen für die Sünden ihrer Vorfahren büßen müssen. Ganze Familien werden in spezielle Gefängnisse gesteckt, und so landen auch die 16-jährige Ant und ihr kleiner Bruder Mattie hinter Gittern.

 

Eine originelle Idee, die viel Stoff für interessante Diskussionen liefert! Die Umsetzung konnte mich aber nicht ganz überzeugen, denn das Buch strotzt nur so vor Action, während die Handlung manchmal eher dünn ist... Deswegen liest es sich zwar spannend und unterhaltsam, bietet aber weit weniger Tiefgang, als ich mir gewünscht hätte.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/blame-von-simon-mayo.html

Bonusmeilen und Wasserleichen

Skin: Thriller - Veit Etzold

Dieses Buch gehört nicht zur "Clara Vidalis"-Reihe des Autors! "Skin" dreht sich hauptsächlich um Hauptkommissar Frank Deckhard und sein Team, sowie den jungen Unternehmensberater Christian König.

 

Die beiden konnten mich leider nicht ganz überzeugen.

 

Frank Deckhard wirkte auf mich so, als könne er eigentlich nicht mehr - als hätten sein Beruf und die Grausamkeiten, mit denen er dadurch konfrontiert wird, ihn schon ausgebrannt. Er wirkt oft erschöpft und depressiv, entspricht aber erfreulicherweise dennoch nicht dem Klischee des alkoholabhängigen Cops mit Beziehungsproblemen. Eigentlich fand ich ihn interessant, hatte jedoch bis zur letzten Seite das Gefühl, ihn noch nicht so richtig zu kennen, obwohl der Autor auch Informationen über Deckhards Familie einfließen lässt.

 

Christian dagegen kam mir oft unglaublich naiv vor. Als er zum Beispiel einmal völlig übermüdet an einem Projekt sitzt, bietet ihm ein Kollege ein weißes Pülverchen an, dass angeblich total wach und geistig fit macht... Weißes Pülverchen? Christians erster Gedanke ist: Kaffeeweißer. Dann nimmt er das Pulver ein, ohne dies groß zu hinterfragen, und das bleibt nicht das einzige Mal im Buch, dass er so offensichtlich wie ahnungslos Drogen einschmeißt. Er hakt zwar einmal nach, aber nur halbherzig. Sind das Drogen? Nö? Na dann...

 

Überhaupt stolpert er manchmal durch die Welt der Unternehmensberatung wie Alice durchs Wunderland - die hat ja auch einfach alles eingenommen, wo "Trink mich" oder "Iss mich" draufstand...

 

Einerseits mochte ich Christian gerade deswegen, weil er ganz und gar nicht in diese knallharte Karrierewelt passt, andererseits fand ich seine Naivität irgendwann nicht mehr glaubhaft. Ihm passieren Dinge, wo der erste Impuls sein sollte, zum Telefon zu greifen und die 110 zu wählen - aber stattdessen schweigt er und reitet sich dabei immer tiefer rein in die Sache... Sein irrsinniges Beharren darauf, alles abzustreiten, niemanden einzuweihen und einfach darauf zu hoffen, dass er nicht auffliegt, macht ihn immer verdächtiger und behindert damit auch die Polizeiarbeit.

 

Der eigentliche Fall ist an sich interessant - eine Leiche nach der anderen, die irgendwas mit Christian zu tun haben scheinen, wobei der völlig im Dunkeln tappt, warum das alles passiert... Aber bei mir wollte einfach keine Spannung aufkommen. Ich hatte oft das Gefühl, die Ermittler haben gar keinen richtigen Plan, sondern reagieren einfach nur - und das meist einen Tacken zu spät. Ihre Schlussfolgerungen machten in meinen Augen manchmal nur wenig Sinn, und ich hatte den Eindruck, dass sie offensichtliche Indizien übersehen.

 

Die karrieregeile Welt der Unternehmensberatung wird ausführlich und detailliert beschrieben, und das fand ich zunehmend ermüdend und hatte dadurch immer weniger Motivation, am Ball zu bleiben.

 

Vom Schreibstil war ich durchaus angetan, denn der liest sich vielfältig und leitet den Leser angenehm flüssig durch die Geschichte. Die Beschreibungen der diversen Leichen sind dabei zwar plastisch und detailliert, in meinen Augen aber nicht zu bemüht schockierend.

 

Allerdings verwendet der Autor oft etwas, was ich als mein persönliches Hass-Stilmittel bezeichnen würde: wenn zwei Charaktere sich gegenseitig Sachen erzählen, die sie beide schon wissen - damit es auch der Leser mitbekommt. Das kommt mir immer gestellt und unnatürlich vor, und hier wird es doch ziemlich oft eingesetzt. Das sind dann Sätze, die zum Beispiel anfangen mit:

 

"Wie war das nochmal..."
"Du weißt ja..."
"Wie hieß noch..."

 

Die Auflösung des Ganzen hat mich überrascht, und an sich gefiel sie mir ganz gut. Für mich blieben jedoch noch einige Fragen offen, und ich fand manches auch nicht ganz glaubhaft - aber darauf kann ich hier nicht näher eingehen, sonst verrate ich schon zuviel...

 

Auch vorher gab es im Verlauf der Handlung schon ein paar Dinge, die mir unrealistisch vorkamen. Würde ein Ermittler zum Beispiel wirklich einen Tatverdächtigen an einen möglichen Tatort mitnehmen, wenn der noch nicht mal gesichert ist?

 

Fazit:
Was haben Bonusmeilen mit Wasserleichen zu tun? Normal wohl nichts, aber Veit Etzold lässt seinen Thriller in der knallharten Branche der Unternehmensberatung spielen. Dabei kann der grausige Fund abgezogener menschlicher Haut schon mal zurückstehen hinter Deadlines und Überstunden. An sich eine originelle Mischung, aber leider konnte mich "Skin" nicht ganz überzeugen.

 

Das Verhalten der Charaktere konnte ich oft nicht nachvollziehen, vieles erschien mir einfach nicht glaubhaft... In meinen Augen stand der Kriminalfall auch zu oft hinter Einblicken in die Welt der Unternehmensberatung zurück.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/skin-von-veit-etzold.html

Der Goldene Sohn

Red Rising - Im Haus der Feinde: Roman (Red-Rising-Trilogie 2) - Pierce Brown, Bernhard Kempen

Da es eine Weile her ist, dass ich den ersten Band der Trilogie gelesen habe, tat ich mich anfänglich etwas schwer damit, wieder in die Geschichte hinein zu finden - schließlich ist diese Welt irrsinnig vielschichtig und auch die Charaktere sind selten das, was sie oberflächlich zu sein scheinen... Manchmal kann einem da schon der Kopf schwirren!

 

Aber es dauerte nicht lange, bis mich Darrows Geschichte wieder gefangen nahm, und dann war ich sehr beeindruckt von der enormen dramatischen Wucht, mit der sie sich entfaltet. Brutal, dreckig, gnadenlos, rasant... Unerbittlich und unaufhaltsam wie ein Erdrutsch reißen die Geschehnisse den Leser mit. und dennoch gibt es immer mal wieder Momente, wo sie sich entfalten wie ein eleganter Tanz aus Allianzen und Intrigen, Familien und Hauszugehörigkeiten, Verrat und Loyalität.

 

Immer, wenn man glaubt, man hätte jetzt alles durchschaut, überrascht Pierce Brown einen wieder mit einer unerwarteten Wendung. Immer, wenn man sozusagen eine Schale der Geschichte abgeschält hat, stellt man fest, dass man noch lange nicht am Kern angekommen ist. Dabei folgt das Buch in meinem Augen niemals einem bekannten Schema, sondern liest sich immer originell und überraschend.

 

Ich habe mich öfter bei dem Gedanken ertappt, dass Pierce Brown und George RR Martin sich die Hand reichen könnten. Zum einen, weil die Welt von "Red Rising" genauso komplex und dabei bis ins Kleinste durchdacht ist wie die Welt von "Das Lied von Eis und Feuer", und zum anderen, weil beide Autoren großartige Charaktere schreiben, denen sie nichts, aber auch wirklich nichts ersparen.

 

Nicht nur, dass man sich niemals zu sicher sein sollte, dass ein wichtiger Charakter schon nicht sterben wird - man kann sich auch nicht darauf verlassen, dass die Hauptcharaktere moralisch immer über jeden Zweifel erhaben sind. Die Welt, in der sie leben, hat sie hart und grausam gemacht.

 

Um das System zu unterwandern und zu zerstören, lässt sich Darrow auf das gnadenlose Spiel ein, das die Goldenen spielen, und dabei lädt er enorme Schuld auf sich. Unschuldige Menschen sterben, damit er seine Ziele erreichen kann, in großer Zahl. Ja, er leidet darunter, der Gedanke an die Opfer verfolgt ihn - aber er macht weiter, denn mit friedlichen Mitteln kann er das korrupte Regime der Goldenen nicht stürzen. Nicht immer konnte ich seine Entscheidungen verstehen oder gutheißen, aber im Grunde ist er ein guter Mann, der seine Welt zum Besseren verändern will.

 

Gerade weil die Charaktere alle ihre Schattenseiten haben, fand ich sie interessant und glaubhaft geschrieben.

 

Es gibt Liebesgeschichten, diese stehen aber nicht so sehr im Mittelpunkt, dazu sind die Charaktere viel zu beschäftigt mit Kriegen und Intrigen...

 

Ich muss leider sagen, dass der Schreibstil in der deutschen Übersetzung viel an Sogkraft verliert - im Original ist er schlichtwegs atemberaubend, geradezu hypnotisch, und ich hatte durch die Sprache noch mehr den Eindruck, wirklich in einer ganz anderen Welt zu sein. Aber auch im Deutschen ist der Stil immer noch bildgewaltig und ungewöhnlich!

 

Zitat:
"Dann stehe ich allein da und horche auf den Ruf der tiefen Minen. Wind heult durch den Untergrund und singt sein trauriges Lied. Ich habe die Augen in der Dunkelheit geschlossen, stehe mit den Füßen im lockeren Boden. Mein Gesicht ist dem schwarzen Schlund zugewandt, der tief in die Eingeweide meiner Welt hineinreicht."

 

Fazit:
"Red Rising - Im Haus der Feinde" ist ein gelungener zweiter Band, mit wahnsinniger Sogkraft und jeder Menge Action. In meinen Augen war schon der erste Band großartig, aber Pierce Brown setzt hier noch einmal eine Schippe drauf!

 

Die Charaktere könnten auch von George RR Martin sein - beeindruckend komplex, aber nicht unbedingt langlebig... Überhaupt ist "Red Rising" meiner Meinung nach sozusagen der dystopische Stiefbruder von "Das Lied von Eis und Feuer", was ich durchaus als Kompliment meine.

 

Originelle Ideen, vielschichtige Charaktere, ein straffer Spannungsbogen und ein bildgewaltiger Schreibstil voller Atmosphäre - für mich ein absolutes Erfolgsrezept.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/red-rising-im-haus-der-feinde-band-2.html

Wie gut kennt man die Menschen, die man liebt?

Leons Erbe (Hochspannung 18) - Michael Theißen

"Leons Erbe" ist der Debütroman des Sozialwissenschaftlers Michael Theißen, und passenderweise geht es in diesem Thriller eben nicht nur darum, den Täter zu finden, sondern auch darum, was die Hauptfigur motiviert - was sie denkt und fühlt, fürchtet und hofft, und vor allem auch, wie sie in einer Zeit persönlicher Tragödie mit anderen Menschen umgeht.

 

Die Geschichte beginnt damit, dass Katja über die Albträume spricht, die sie plagen, seit ihre Schwester verschwunden und ihr Sohn gestorben ist. Doch auch ihr waches Leben ist geplagt von lähmender Trauer, aus der sie sich nicht lösen kann. Bestürzt und hilflos beobachtet sie, wie ihr Mann sich mehr und mehr verändert, getrieben von rasendem Hass auf den unbekannten Unfallfahrer, der ihren Sohn einfach sterbend am Straßenrand zurückgelassen hat. Doch dann rütteln sie eine Reihe unerwarteter, dramatischer Ereignisse aus ihrer Lethargie und sie macht sich auf, den Tod ihres Sohnes aufzuklären - und dabei stellt sie fest, dass sie die Menschen, die ihr am nächsten stehen, vielleicht nicht so gut kennt, wie sie dachte. Mehr und mehr zweifelt sie an ihrer eigenen Wahrnehmung.

 

Der Autor beschreibt Katjas Emotionen bestürzend lebensecht und authentisch. Wer schon einmal einen geliebten Menschen auf gewaltsame Weise verloren hat, kennt dieses Gefühl, dass die Welt sich auf grundlegende Art und Weise verändert hat und aus dem Takt geraten ist, dass sich alles irgendwie falsch anfühlt - fast so, als wären Glück und Sicherheit immer schon eine Lüge gewesen und es könnte deswegen niemals wieder besser werden.

 

Zitat:

"Überall wurde ich an ihn erinnert, und jedes Mal versetzte es mir einen furchtbaren Stich ins Herz. (...) Was aber noch viel weniger zu begreifen war: Es würden keine neuen Erinnerungen mehr hinzukommen. Niemals mehr."

 

Die anderen Charaktere bleiben zum größten Teil blasser als Katja, aber im Grunde passt das auch - wie sollen wir durch Katjas Augen die Menschen um sie herum wirklich im tiefsten Inneren kennenlernen, wenn sie selber immer mehr hinterfragt: was weiß ich denn überhaupt über ihn/sie?

 

Dennoch ist das Buch nicht nur ein Psychodrama, sondern auch ein Psychothriller, und diese Mischung fand ich erfrischend originell, emotional berührend und dabei sehr spannend. Michael Theißen legt viele Fährten für den Leser, darunter viele falsche, und so habe ich bis zum Schluss mitgerätselt und mich dabei mehr als einmal aufs Glatteis führen lassen.

 

Die Auflösung am Schluss erschien mir zwar schlüssig und glaubhaft, wurde aber für meinen Geschmack ein wenig zu schnell abgehandelt. Ich hätte mir gewünscht, letztendlich doch mehr über die Motive der Menschen zu erfahren, die auf die ein oder andere Art an Leons Tod beteiligt waren. Auch, wie es mit Katja und den Menschen in ihrem Leben weitergeht, hätte mich noch weitergehend interessiert!

 

Der Schreibstil ist klar und dabei eindringlich, oft beklemmend und voll unterschwellig bedrohlicher Atmosphäre, aber immer ganz nahe dran an Katjas Emotionen. Mir sind immer mal wieder Kleinigkeiten aufgefallen, wie zum Beispiel dreimal das Wort "wieder" in nur zwei aufeinanderfolgenden Sätzen, aber ansonsten fand ich das Buch sehr professionell, da hätte ich nicht auf Debütroman getippt!

 

Fazit:
Katja erlebt ein persönliches Drama nach dem anderen: erst verschwindet ihre Schwester, dann wird ihr Sohn nachts auf einer abgelegenen Landstraße überfahren und stirbt. Auf der Suche nach Antworten findet sie erstmal nur noch mehr Fragen - darunter die, wie gut sie ihren Sohn eigentlich kannte...

 

"Leons Erbe" ist ein beeindruckender Debütroman irgendwo zwischen Psychodrama und Psychothriller, mit einer glaubhaften Protagonistin, deren Gefühle ich gut nachempfinden konnte. Die Aufklärung von Leons Tod (Mord? Unfall?) wird spannend geschildert, mit vielen unerwarteten Wendungen und falschen Fährten.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/leons-erbe-von-michael-theien.html

Weniger Bücher als erwartet...

Die Bücherfreundinnen - Jo Platt, Katharina Naumann

Erstmal vorneweg: ich war enttäuscht, dass Bücher gar keine so große Rolle spielen, wie der Titel erwarten lässt! Ja, es wird das ein oder andere Buch namentlich erwähnt, aber eigentlich ist der Buchclub nur ein Vorwand für die Freundinnen, sich zu treffen, zusammen was zu trinken und darüber zu quatschen, wie sie die in Liebessachen vom Pech verfolgte Alice am besten verkuppeln könnten. Diese schafft es meist nicht einmal, das gemeinsam ausgesuchte Buch zu lesen. dabei hat sie mal Anglistik studiert. (Da weint das Leserherz...)

 

Nein, "Die Bücherfreundinnen" ist meiner Meinung nach kein Buch über Bücher, dafür aber wenigstens ein Buch über die Freundschaft in allen möglichen Schattierungen. Also eine halbe Mogelpackung...? Anfangs habe ich darüber noch gegrummelt, aber da die Geschichte trotzdem unterhaltsam, witzig, manchmal rührend und im Grunde eine nette Sommerlektüre ist, habe ich Jo Platt die fehlenden Buchtipps irgendwann großzügig verziehen. Dennoch war es für mich eher ein Buch für zwischendurch - mehr ein "Kann man lesen" als ein "Muss man lesen". Das lag sicher zum großen Teil daran, dass ich die Geschichte sehr vorhersehbar und daher auch nicht sonderlich originell fand, obwohl mir die Umsetzung ansonsten ganz gut gefiel. (Im letzten Drittel schwächelt sie aber ein wenig, zumindest kam es mir so vor.)

 

Groß Spannung kam für mich nicht auf, denn es gibt im Grunde keinen ernsthaften Konflikt und auch keine Entwicklung, deren wahrscheinliches Ergebnis nicht absehbar ist, aber dafür ist es ein echtes Wohlfühlbuch zum Seele baumeln lassen.

 

Die verschiedenen Bücherfreundinnen waren mir direkt sympathisch, man lernt aber nicht alle von ihnen näher kennen. Besonders am Anfang hatte ich deswegen etwas Probleme, den Überblick zu behalten! Das Buch hat dabei gegenüber dem Hörbuch den Bonus, dass innen auf der Klappbroschur die wichtigsten Charaktere aufgelistet sind.

 

Das Buch hat mir vor allem dort gut gefallen, wo man die Freundschaft zwischen den gänzlich unterschiedlichen Frauen spürt. Sie haben alle ihre Schrullen und kleinen Marotten, aber das ist für sie überhaupt kein Hindernis, denn sie haben sich in vielen Jahren kennen und lieben gelernt. Bunt, lebendig und mit liebevollen Details werden vor allem Alice, ihr Chef David und ihre Freundin Sophie beschrieben, während andere etwas blass bleiben.

 

Für mich hatte das Buch deutlich weniger Tiefgang als erwartet. Hier werden durch den Tod von Lydia, einer der Bücherfreundinnen, zwar Verlust und Trauer thematisiert, aber doch eher am Rande - besonders die Frage, wie man nach dem Tod eines Partners damit umgeht, dass man sich irgendwann wieder neu verlieben und weiterleben will, wurde hier in meinen Augen leider nur oberflächlich behandelt. Die Rückblenden, in denen man mehr über Lydia erfährt, hören irgendwann einfach auf.

 

Die Liebesgeschichte konnte mich ebenfalls nicht so recht packen, denn ich fand sie ziemlich vorhersehbar und bekam auch kein richtiges Gespür dafür, warum ausgerechnet diese beiden Menschen denn nun so gut zusammenpassen sollen. Ich hatte bis zum Schluss nicht dein Eindruck, IHN richtig zu kennen.

 

Das Ende der Geschichte erschien mir seltsam lustlos und rief in mir keine großen Emotionen hervor. Gerade zum Abschluss hätte ich mir gewünscht, dass die großen Themen Trauerbewältigung, Liebe und Weiterleben noch einmal stärker angesprochen werden! Stattdessen gibt es das obligatorische Missverständnis, bevor sich alles in Wohlgefallen auflöst.

 

Aber das klingt jetzt alles negativer, als es gemeint ist! Nein, "Die Bücherfreundinnen" ist für mich kein großartiges Buch, das man unbedingt gelesen haben muss, und es wird mein Leben auch nicht verändern, aber es hat mir dennoch als einfache, anspruchslose Lektüre für zwischendurch Spaß gemacht.

 

Der Schreibstil ist flüssig, leicht und unterhaltsam zu lesen; besonders die Dialoge sind locker-flockig und humorvoll geschrieben.

 

Das Hörbuch, dass ungekürzt als Download und gekürzt auf Audio-CDs erhältlich ist, wird von Nana Spier gesprochen, die vielen als Synchronstimme von Sarah Michelle Gellar, Drew Barrymore, Claire Danes und vielen Schauspielerinnen mehr bekannt sein dürfte. Sie liest die verschiedenen Bücherfreundinnen sehr lebhaft und variiert dabei Sprechweise und Tempo, um sie leichter unterscheidbar zu machen. Hätte ich nicht auch das Buch gelesen, hätte ich wahrscheinlich dennoch zwischendurch ab und an den Überblick verloren - das liegt aber nicht an Nana Spier, sondern einfach daran, dass es einfach schwierig ist, wenn eine Sprecherin sechs verschiedene Frauen spricht, die alle in derselben Szene durcheinander reden! Ansonsten kann man das Hörbuch aber wunderbar nebenher hören, auf dem Weg zur Arbeit oder beim Kochen, weil es locker und leicht verständlich ist.

 

Fazit:
Wider Erwarten spielen Bücher hier keine sonderlich wichtige Rolle, und auch das Thema Trauer nimmt nicht so viel Raum ein, wie der Klappentext vermuten lässt. In meinen Augen ist es ein sommerliches Wohlfühlbuch, das ohne viel Drama oder Spannung angenehm und gemütlich vor sich hinplätschert, auf ein Ende zu, in dem alle möglichen Liebespaare zueinander finden.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/die-bucherfreundinnen-buch-horbuch-von.html

Verlorene Tage, verlorene Monate, verlorene Jahre

Locked in: Wach auf, wenn du kannst - Roman - Holly Seddon, Astrid Finke

Wir haben das Buch letzten Monat im Rahmen des Krimi-Lesekreises der Buchhandlung Sedlnair gelesen, und die Diskussionsrunde fiel recht kurz aus, weil wir uns eigentlich alle einig waren, dass es uns sehr gut gefiel. (Es gibt schließlich nur eine begrenzte Anzahl von Variationen für "Ja, fand ich auch gut"!")

 

Zwei von uns hat das Buch an "Girl on the Train" oder auch die Romane von Gillian Flynn erinnert: weniger Thriller als psychologischer Spannungsroman, mit einer zwiespältigen Protagonistin, die auch ganz abgesehen vom Kriminalfall mit einem Bein im Abgrund steht.

 

Natürlich will man als Leser wissen, wer Amy vor 15 Jahren so brutal zusammengeschlagen hat, dass sie seither im Koma liegt - keine Frage. Das wird auch spannend beschrieben, mit der ein oder anderen unerwarteten Wendung. Für mich nahmen die persönlichen Konflikte und Probleme der verschiedenen Charaktere allerdings einen genauso großen Stellenwert ein! Ob das jetzt Jacob ist, dessen erste Jugendliebe Amy war und der deswegen einfach nicht loslassen kann, obwohl er damit seine Ehe gefährdet, oder Alex, die sich selber als "funktionierende Alkoholikerin" sieht, obwohl sie schon längst alle Kontrolle verloren hat. Ich fand die Charaktere alle sehr vielschichtig und glaubhaft beschrieben.

 

Besonders Alex hat mich immer wieder überrascht. Anfangs hatte ich nicht erwartet, sie sonderlich zu mögen. Sie fängt jeden Tag um 12 Uhr mit dem Trinken an, wird im betrunkenen Zustand ausfallend und hat dann auch Sex mit jedem, der gerade verfügbar ist, nässt sich fast jede Nacht ein und ignoriert vollkommen, dass sie sich buchstäblich ins Grab säuft. Ja, sie hat mir leid getan, aber es ist oft beinahe schmerzhaft, ihr dabei zuzusehen, wie sie ungebremst abstürzt. Aber so nach und nach kristallisiert sich hinter dem ganzen Suff eine intelligente, mitfühlende Frau heraus, die wahrscheinlich einen ganz anderen Weg eingeschlagen hätte, wenn sie nicht so einen schlechten Start ins Leben gehabt hätte. Je mehr sie sich in den Fall verbeißt, desto mehr will sie Gerechtigkeit für Amy erreichen, und desto entschlossener ist sie auch, etwas aus ihrem eigenen Leben zu machen, bevor es zu spät ist.

 

Irgendwann wollte ich so dringend, dass sie damit Erfolg hat, dass ich beinahe an den Schluss geblättert hätte, um direkt und sofort zu erfahren, wie es mit ihr ausgeht! (Ich habe es mir aber tapfer verkniffen.) Den Schluss fand ich übrigens gut gelungen: die Autorin verzichtet auf einfache, unrealistische Lösungen (manche Dinge lassen sich nicht kitten, manche Wunden nicht heilen), und dennoch fand ich das Ende als Leserin befriedigend.

 

Eine Sache, die das Buch meines Erachtens sehr originell macht: Die Perspektive wird nicht nur zwischen Alex und Jacob hin- und hergereicht, auch Amy selber kommt immer wieder zu Wort. Denn sie liegt zwar im Koma, ist aber halbwegs bei Bewusstsein! Sie hat kein Gespür für den Verlauf der Zeit und erinnert sich nur bruchstückhaft, was passiert ist, aber ihre Gedanken ergänzen immer wieder das Puzzlespiel dieser Geschichte. Man bekommt als Leser einen sehr guten Eindruck davon, wer Amy war - wer sie immer noch IST. Sie ist erstarrt in der Gefühlswelt einer 15-Jährigen, aber man spürt ihr Potential. Ich hatte immer das Gefühl, ihr bei einem Drahtseilakt zwischen Tod und Leben zuzusehen.

 

In meinen Augen ist der Schreibstil wunderbar, sehr ausdrucksstark und manchmal sogar fast schon poetisch. Je nach Situation kann er verträumt oder messerscharf sein, rasant oder von schwereloser Langsamkeit.

 

Fazit:
Ein 15-jähriges Mädchen wird brutal zusammengeschlagen und fällt ins Wachkoma. 15 Jahre später haben sie fast alle ihre Lieben verlassen: ihre Mutter ist tot, ihr Stiefvater hat ein neues Leben begonnen, für ihre Freundinnen ist sie nur noch ein halb vergessenes Trauma und ihr Vater hat sich ohnehin nie um sie gekümmert. Nur einer sitzt noch an ihrem Bett, heimlich und verstohlen, aber auch er glaubt nicht mehr daran, dass sie jemals wieder erwachen wird. Kaum jemand ahnt, dass Amy nicht nur ein seelenloser Körper ist, der nicht sterben kann. Sie ist immer noch da, mit offenen Augen träumend.

 

Der Täter wurde nie gefasst, aber dann stößt eine Journalistin zufällig auf den Fall und ermittelt auf eigene Faust...

 

Mich überzeugte das Buch vor allem durch seine komplexen, zwiespältigen Charaktere. Besonders fasziniert hat mich die Journalistin Alex, die einerseits eher eine Anti-Heldin ist, mit der ich andererseits aber auch immer mehr mitgefühlt habe. Auch der Schreibstil und die ungewöhnliche Erzählperspektive haben mich beeindruckt, und die Spannung hielt mich von der ersten bis zur letzten Seite gefangen.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/locked-in-wach-auf-wenn-du-kannst-von.html

Kaya im Abenteuerland

Das magische Fenster im Bild - Jolanta Lieser

Das Büchlein ist sehr ansprechend gestaltet: das Titelbild ist fantasievoll und macht neugierig, und auch die für das Cover und die Kapitelüberschriften ausgewählte Schriftart ist hübsch und außergewöhnlich. Das für die Seiten verwendete Papier ist schwer und fühlt sich gut an.

 

Jedes der fünf Abenteuer, die die kleine Kaya erlebt, wird von einer passenden Illustration eingeleitet. Diese sehen aus wie mit Buntstift gezeichnet, was ich für ein Kinderbuch genau richtig finde! Die einzige Illustration, die mir nicht so gut gefiel, war die im dritten Kapitel, denn sie erschien mir für kleinere Kinder ziemlich gruselig.

 

Kaya ist ein Schlüsselkind: wenn sie nachhause kommt, sind ihre Eltern meist nicht da, und überhaupt haben die nur sehr wenig Zeit für sie. Und so fühlt sich Kaya einsam und gelangweilt und zweifelt daran, ob sie liebenswert ist. Sie wird herzallerliebst, lebendig und glaubhaft beschrieben, mit Stärken und Schwächen, so dass kleine Leser gut mit ihr mitfühlen und mitfiebern können.

 

Ihre Abenteuer werden sehr fantasievoll geschildert, mit vielen bunten, märchenhaften Beschreibungen. Sie enthalten zahlreiche positive Botschaften - so bestärken viele der Wesen, denen Kaya begegnet, sie darin, dass sie ein wertvoller Mensch ist, der klug, mutig und liebenswert ist. Ohne erhobenen Zeigefinger werden kindgerecht verschiedene Themen angesprochen, wie zum Beispiel, wie wichtig Ehrlichkeit ist und wie lobenswert, Fehler zuzugeben.

 

Für jüngere Leser sind die Geschichten bestimmt auch sehr spannend, manchmal möglicherweise sogar ein bisschen gruselig - ehrlich gesagt würde ich das dritte Kapitel bei kleineren oder sehr sensiblen Kindern vielleicht sogar überspringen, aber ich denke, das werden die Eltern nach kurzem Drüberlesen am besten einschätzen können! Das ist eben genauso wie bei den klassischen Märchen: die haben ja auch ihre bösen Hexen und ihre gruseligen Momente.

 

Die Geschichten sind aber in meinen Augen durchaus geeignet für Grundschüler, denn sie sind einfach aufgebaut und gradlinig. Da das Buch in fünf Abenteuer eingeteilt wurde, die dann wiederum aus kurzen Kapiteln bestehen. kann man es einerseits kleineren Kindern sehr gut abends vorlesen, und andererseits können Kinder, die schon etwas geübter sind, es auch häppchenweise selber lesen.

 

Zitat:
"Sie stand auf einem gläsernen Berg, auf dem sich ein durchsichtiger Brunnen befand, in dem lauter Blumen in verschiedenen Farben und Formen im Wasser lagen und nach oben heraussprudelten wie eine Fontäne. Neugierig ging Kaya auf die Wasserquelle zu. Vorsichtig beugte sie sich über sie. Die exotischen Blumen wirkten sehr hypnotisierend auf Kaya."

 

Der Schreibstil ist sehr lebendig, fantasievoll und bildreich. Manchmal wurden für meinen Geschmack etwas zu viele Adjektive verwendet, und ab und an fand ich eine Metapher nicht ganz gelungen, aber meist hat er mir sehr gut gefallen.

 

Zitat:
"Kaya schlug um sich wie ein Adler. Doch die Fee war stark wie ein Bär. Mit nur ein paar Schritten erreichten die beiden die fliegenden Besen und wie einen Kartoffelsack setzte Trottela Kaya auf einen von ihnen drauf."

 

Fazit:
In fünf fantasievollen Geschichten erzählt Jolanta Lieser die Geschichte eines einsamen kleinen Mädchens, das neue Freunde und neues Selbstbewusstsein in einer magischen Welt findet. Kleine Leser können sich mit Kaya bestimmt gut identifizieren!

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/das-magische-fenster-im-bild-von.html

Witziger "Sprachführer"

How to speak Emoji: Der Sprachführer - Fred Benenson

Es gibt Bücher, die wandern bei mir erstmal aufs Stille Örtchen und liegen dann dort manchmal wochen- oder monatelang.

 

Oh, nein, nein - das ist keineswegs als Abwertung gedacht! Wo hält man sich denn jeden Tag mehrmals auf und hat immer mal wieder ein paar Minuten Zeit und Ruhe, um ein Buch aufzuschlagen? Genau! Und deswegen eignet es sich so gut für Bücher, die man nicht in einem Rutsch durchliest, sondern Stückchen für Stückchen.

Meist sind das Bücher zum Schmunzeln und Lachen, und so ein Buch ist auch "how to speak emoji".

 

Das Buch beginnt mit einer kurzen Einleitung und ein paar grundlegenden Tipps zum Thema Emojis, gefolgt von einem kleinen Lexikon der gebräuchlichsten Symbole. Den Hauptteil des Buches macht dann der Sprachführer aus, der in verschiedene Kapitel wie "Erste Schritte", "Lockere Sprüche" oder "Notfälle aller Art" unterteilt ist. Bei manchen "Übersetzungen" musste ich grinsen oder sogar lachen, andere fand ich etwas zu offensichtlich und daher nicht so spannend. Die meisten sind in meinen Augen aber doch sehr einfallsreich, und es hat mir daher Spaß gemacht, immer mal wieder in dem Buch zu blättern.

 

"how to speak emoji" ist vielleicht kein Buch, das das Leben verändert oder das man unbedingt gelesen haben muss, aber es ein netter Stimmungsaufheller für zwischendurch und sicher auch ein nettes Mitbringsel oder kleines Überraschungsgeschenk. In dem Sinne:

 

Schaut doch einfach mal rein in das Buch!

 

Fazit:
Es gibt wohl kaum einen Menschen, der noch nicht mit Emojis, den putzigen Smilies aus Japan, in Kontakt gekommen ist. Fred Benenson spricht in der Einleitung seines Buches davon, dass Emojis eine spannende Entwicklung in der modernen Kommunikation darstellen - vielleicht noch keine richtige Sprache, aber doch etwas, mit dem man erstaunlich komplexe Dinge sagen kann. 

 

Natürlich ist der Sprachführer nicht ganz ernst gemeint, sondern lädt vor allem zum Schmunzeln ein, wenn zum Beispiel Zitate von so unterschiedlichen Menschen wie Martin Luther, Franz Beckenbauer oder Heidi Klum in Emojis übersetzt werden! Ein witziges kleines Büchlein für zwischendurch.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/how-to-speak-emoji-von-fred-benenson.html

Das dunkle Reich Florenturna

Florenturna   Die Kinder Der Nacht - Kathrin Lange

Katrin Lange hat in ihrem Buch eine einfallsreiche Parallelwelt voller unglaublicher Kreaturen erschaffen, die ihre jungen Helden vor zahlreiche Herausforderungen stellt. Auch die Magie fand ich einzigartig und originell: ein Narratore hat die Macht, seinen Worten Leben einzuhauchen - was er erzählen kann, kann ein geübter, mächtiger Narratore auch erschaffen.

 

Das Buch spricht Themen an, die (nicht nur) für ein Kinderbuch passend und wichtig sind: Freundschaft, Treue, Tapferkeit, Selbstlosigkeit... Sehr interessant fand ich auch, dass einige der Charaktere mehr oder schwere Behinderungen haben: Girolamo stottert heftig, Ben ist geistig behindert und die Geschwister Ursa und Nadir sind zumindest zeitweise blind.

 

Mir gefiel sehr, dass diese Charaktere nicht auf ihre Behinderungen reduziert werden! Die Autorin zeigt, dass auch ein Mensch mit Behinderung Großes erreichen und zum Helden werden kann, was ich für eine großartige Botschaft halte.

 

In meinen Augen werden die Charaktere meist gut, einfühlsam und schlüssig beschrieben, nur manchmal benimmt sich Girolamo, um den sich die Geschichte dreht, deutlich älter als seine 11 Jahre, was mich ein bisschen gestört hat.

 

Gelegentlich hat die Geschichte ein paar Längen, aber im Großen und Ganzen hat sie viel Action, Gefahr und Abenteuer zu bieten und liest sich spannend und unterhaltsam. Allerdings ist der Inhalt für ein Kinderbuch manchmal recht heftig! Kopflose Monster, eine oft düstere Atmosphäre und schwere Verluste auf Seiten der Guten... Ich würde es nicht für jüngere Kinder empfehlen. Kinder ab 10 werden dann gut damit zurechtkommen, wenn sie nicht zu empfänglich für Albträume sind, ansonsten würde ich es eher Kindern ab 12 in die Hand geben.

 

Der Schreibstil ist relativ einfach und dabei klar, flüssig und kindgerecht. Was mich aber sehr gestört hat: das Buch spielt in Florenz um das Jahr 1500 herum, die Kinder sprechen jedoch sehr, sehr modern. Natürlich erwarte ich von einem historischen Kinderbuch nicht, dass die Sprache 100%ig der der damaligen Zeit entspricht, aber sie sollte meiner Meinung nach schon einen weniger modernen Klang haben.

 

Überhaupt wird meines Erachtens nicht voll ausgeschöpft, dass das Buch einen geschichtlichen Hintergrund hat - der Schauplatz des alten Florenz bleibt austauschbar, das Buch hätte auch ohne Weiteres in einer anderen Stadt und zu einer anderen Zeit spielen können. Zwar kommen historische Figuren vor, wie Hieronymus Bosch, Frater Savonarola oder Loreznzo de Medici, aber der Leser erfährt nur wenig über sie.

 

Fazit:
Florenz um das Jahr 1500 herum. Der 11-jährige Girolamo wollte eigentlich nur heimlich die Vorführung eines fahrenden Sängers besuchen, aber bevor er sich versieht, wird sein Dorf von Monstern überfallen - und Girolamo wird davongejagt, weil er angeblich der Grund dafür war. Er flüchtet nach Florenz, wo er schnell Verbündete findet und feststellen muss, dass es ihm vorbestimmt ist, den bösen Mercurius zu besiegen und dadurch direkt zwei Welten zu retten...

 

Das Buch ist einfallsreich, spannend und unterhaltsam, mit sympathischen Helden und kindgerechten Themen. Allerdings sind die beschriebenen Monster sicher nichts für zu zartbesaitete junge Leser! Leider kam für mich kein richtiges historisches Flair auf, weil die Charaktere sehr modern sprechen und man auch recht wenig über die damalige Zeit erfährt.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/07/florenturna-die-kinder-der-nacht-band-1.html

Er war unterwegs, um die Unschuld zu töten...

Der Schneegänger: Kriminalroman - Elisabeth Herrmann

Die Geschichte klingt erstmal sehr gradlinig: ein kleiner Junge verschwindet spurlos, ein paar Jahre später wird sein Skelett gefunden, schon nach wenigen Tagen wird der Vater als Hauptverdächtiger verhaftet. Zwischen den Eltern gab es oft Stress, wird gemunkelt. Medea-Syndrom, vermutet eine Ermittlerin: wenn ein Elternteil das Kind tötet, um den Partner zu bestrafen. Aber natürlich stellt sich schnell heraus, dass an diesem Fall absolut gar nichts einfach oder gradlinig ist. Die Ermittler graben eine Schicht nach der anderen ab, finden alte Schuld, alten Verrat, alten Neid, alte Gier... Und dennoch ist kein Ende in Sicht.

 

Die Wendungen (und Sackgassen!) haben mir gut gefallen, denn dadurch fand ich den Fall nicht vorhersehbar oder ausgelutscht! Ich bin nur so durch die 448 Seiten geflogen und habe mich dabei sehr gut unterhalten gefühlt. Spannend ist es in meinen Augen auch, obwohl das Augenmerk der Geschichte oft eher auf dem Drumherum liegt: auf dem Zwischenmenschlichem, das nicht immer direkt mit dem Fall zu tun hat.

Schon im ersten Band der Reihe ("Das Dorf der Mörder") verbiss sich Sanela Beara, die zu der Zeit nur eine kleine Streifenpolizistin war, in den damaligen Fall wie ein zu allem entschlossener Zwergpinscher und pfiff dabei munter auf Regeln und Befugnisse. Inzwischen ist sie keine Streifenpolizistin mehr, sondern Beamtin auf Probe im ersten Jahr des Masterstudiengangs Gehobener Polizeivollzugsdienst - aber immer noch wild entschlossen und nur zu bereit, aus der Reihe zu tanzen...

 

Sie ist ohne Zweifel hochintelligent, vielleicht sogar brillant, und dabei einfühlsam und sehr intuitiv: sie hat ein untrügliches Gespür dafür, was Menschen bewegt, aber nur wenig Geduld mit Bürokratie und den hierarchischen Strukturen bei der Polizei. Das macht sie zu einem kantigen, gelegentlich sperrigen Charakter, aber auch zu einem sehr interessanten! Sie war mir sympathisch, ich habe gerne über sie gelesen, nur manchmal hat mich nicht überzeugt, mit was sie alles durchkommt, ohne dass sie hochkant rausfliegt und sich von einer Karriere bei der Polizei endgültig verabschieden kann. Ab und an wirkte es auch mich fast schon überheblich, mit welcher Selbstverständlichkeit sie sich über die Regeln hinwegsetzt, weil sie sicher ist, dass sie alleine den Weg zur Wahrheit verfolgt. Außerdem ist sie verstörend anfällig für die Attraktivität von Tatverdächtigen...

 

Mit Kriminalhauptkommissar Lutz Gehring verbindet sie eine Art Hassliebe (meist mit Tendenz zum Hass), und obwohl sie sich im letzten Fall gegenseitig den letzten Nerv gekostet haben, fordert er sie auch dieses Mal wieder an. Schade fand ich, dass es relativ wenige Szenen gibt, in denen die beiden direkt miteinander zu tun haben, denn die Chemie zwischen ihnen ist sehr interessant! Keine Liebesgeschichte, aber da sprühen dennoch die Funken.

 

In "Der Schneegänger" folgt der Leser ihren Erlebnissen meist getrennt voneinander, und Sanela steht eindeutig mehr im Rampenlicht. Sie ermittelt auf eigene Faust, benutzt ihre Kontakte in der kroatischen Community, fordert alte Gefallen ein, sprich: bringt den Fall voran und findet Sachen heraus, und dabei bewegt sie sich auf verdammt dünnem Eis. Gehring dagegen verrennt sich in Sackgassen und räumt hinter ihr her, indem er ihr zum Beispiel nachträglich die Befugnis besorgt, versteckt zu ermitteln. Sehr bedauerlich, denn er verkauft sich meiner Meinung nach deutlich unter Wert!

 

Zitat:
"Die Last des Gewehrs schien zentnerschwer. Darko blieb stehen und musste sich an einem Baum abstützen. Der Wind trieb die Wolken vor sich her, und für einen kurzen Moment schimmerte silbernes Mondlicht durch die kahlen Äste. Wie viel Schuld trug er selbst? Alle. Er war unterwegs, um die Unschuld zu töten."

 

Den Schreibstil fand ich wieder großartig, sehr aussagekräftig und dabei voller Atmosphäre und ungewöhnlicher Metaphern.

 

Fazit:
Ein kleiner Junge wird ermordet, seine Leiche erst vier Jahre später gefunden. Da die Eltern des Jungen aus Kroatien stammen, wird Sanela Beara zu dem Fall dazu gerufen, obwohl sie nur Beamtin auf Probe und Studentin im Fach Gehobener Polizeivollzugsdienst ist. Eigentlich soll sie nur übersetzen und beobachten, fängt aber schnell damit an, auf eigene Faust versteckt zu ermitteln...

 

Mir hat gut gefallen, wie vielschichtig und unvorhersehbar (zumindest in meinen Augen) sich die Geschichte entwickelt! Ich fand sie spannend und gut geschrieben, und besonders vom abwechslungsreichen Schreibstil war ich sehr angetan. Auch die Charaktere fand ich im Großen und Ganzen glaubhaft - mit einer Ausnahme: ich fand nicht mehr gänzlich glaubhaft, wie unverfroren sich Sanela über alle Regeln hinwegsetzt, ohne dass dieses Verhalten ihre Karriere bei der Polizei auf der Stelle beendet! Davon abgesehen ist sie für mich aber eine sympathische Heldin, über die ich gerne gelesen habe.

Quelle: http://mikkaliest.blogspot.de/2016/06/der-schneeganger-von-elisabeth-herrmann.html