Ein dunkler Ort

Die Spannung baut sich eher schleichend auf, unterschwellig und umso bedrohlicher. Das langsame Tempo stört hier überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Kit hat am Anfang ja nur ihr Bauchgefühl, das ihr sagt, dass in Blackwood Hall etwas Böses vor sich geht, aber so nach und nach häufen sich die Zeichen, dass sie damit richtig liegt. Das Mädchen, mit dem sie sich direkt angefreundet hat, schreit im Schlaf - und währenddessen wird es in ihrem Zimmer immer kälter und kälter. Eine andere Schülerin, die im Leben noch nie für irgendetwas Talent gezeigt hat, malt auf einmal perfekte Gemälde - und beginnt, sich mehr und mehr zu verändern. Die dritte im Bunde wird zum Mathegenie, und Kit selber spielt in ihren Träumen perfekt Klavier und wacht morgens mit schmerzenden Fingern auf.
Und sie sind völlig isoliert von der Außenwelt. Es gibt kein Internet und keinen Handyempfang, und ihre Briefe kommen niemals an. Es gibt keine Möglichkeit, Hilfe herbeizurufen, denn sie sind weit weg vom nächsten Ort und der Zaun rund um das Gelände scheint unüberwindlich. Und die anfangs freundlichen Lehrer werden immer merkwürdiger und bedrohlicher. Es ist dieses Gefühl der Isolation und Hilflosigkeit, aus dem viel der Spannung entsteht.
Wie schon gesagt, hatte die Geschichte für mich etwas Zeitloses, und das bringt mich zu einer kleinen Anmerkung: die Originalausgabe des Buches erschien bereits 1974, aber das deutsche Buch von 2014 ist die Übersetzung einer bearbeiteten, moderniserten Ausgabe. Die Handlung wurde aus den 70er Jahren in die heutige Gegenwart verlegt, und Dinge wie Laptops, Smartphones und WLan wurden hineingeschrieben. Aber beim Lesen hatte ich dennoch nie wirklich das Gefühl, ein modernes Buch zu lesen. Die Art, wie die Menschen sprechen, die Art, wie das Buch vom Schreibstil her geschrieben ist, das alles fühlt sich für mich trotz allem älter an, und daher bin ich unschlüssig, für wie sinnig ich diese Modernisierung halten soll. Für mich gab es einen Bruch zwischen der Stimmung des Buches und diesen modernen Änderungen.
Was allerdings keine Kritik am Schreibstil sein soll: der hat mir gerade wegen der Zeitlosigkeit gut gefallen. Er ist eher einfach, aber das hat mich nicht gestört - es gibt dem Ganzen etwas Märchenhaftes, Unwirkliches, das sehr gut zur Geschichte passt.
Die Charaktere haben mir an sich gut gefallen, ABER. Wir haben hier eine sehr begrenzte Anzahl an Charakteren: die vier Mädchen, die drei Lehrer, zwei Angestellte. Und dennoch werden ein paar davon nicht wirklich tiefergehend beschrieben und blieben für mich eher blass.
Es gibt keine richtige Liebesgeschichte, aber relativ am Anfang macht einer der Lehrer, der auch der Sohn der Schulleiterin ist, eine Bemerkung, bei der ich die Stirn gerunzelt habe. Obwohl Kit und er noch kaum miteinander gesprochen haben, wünscht er sich schon, er hätte sie unter anderen Umständen getroffen - da schwingen ja ganz klar romantische Absichten mit! Das wirkte auf mich abrupt und aufgesetzt, und im Laufe des Buches hat mich die Autorin auch nicht davon überzeugt, dass es zwischen diesen beiden echte Gefühle gibt, gerade weil sie relativ wenig miteinander interagieren.
Ein ganz großes Manko war für mich das Ende: nach all der schleichenden, langsamen Spannung ging das Ende auf einmal hopplahopp und brach an einem Punkt ab, wo die Geschichte für mich einfach noch nicht fertig erzählt war.
Fazit:
Wer dezenten Grusel und schleichende Spannung mag, für den ist das Buch vielleicht genau das Richtige! Man darf nur keine typische Thriller-Spannung erwarten - hier ist alles unterschwellig bedrohlich und entwickelt sich langsam, was eine ganz andere Art von Spannung erzeugt. An sich hat mir das Buch sehr gut gefallen, nur manche der Charaktere blieben für mich eher blass und das Ende kam für mich viel zu abrupt.